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Auf Kohlhaas‘ Spuren

Opfer medizinischer Behandlungsfehler kämpfen vor Gericht einen einsamen und verzweifelten Kampf. Treffen sie auf inkompetente und ignorante Richter, potenziert sich der Schaden. Die nachfolgende rekonstruierte Gerichtsposse aus der bayerischen Provinz legt die Achillesfersen des deutschen Arzthaftungsrechts offen. Sie bietet zudem einen Einblick in die Mittel, zu denen Gerichte greifen können, um eigene Versäumnisse zu kaschieren.

Dieser Artikel zeichnet die traumatischen Erfahrungen nach, die R. B. als Opfer eines medizinischen Behandlungsfehlers vor dem Landgericht Regensburg gemacht hat, um eine Schadensregulation zu erreichen. Er zeigt, wie ein Gericht sich einer angemessenen Auseinandersetzung mit dem Fall verweigerte und ein hanebüchenes Urteil sprach. Zu diesem Zweck vergleicht er die Kernaussagen der Sachverständigen und Privatgutachter und legt deren zentralen, gravierenden Widersprüche frei.

Die Vorgeschichte

Um den Verdacht auf eine chronisch-medikamentös induzierte Hepatitis abzuklären, wies R. B.s Internist ihn in ein Klinikum in Niederbayern ein. Dort wurde er vom 13.06. bis 19.06.2007 stationär behandelt. Aufgrund der Nachwirkungen einer Bandscheibenoperation nahm R. B. zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Jahren diverse Medikamente zu sich. Dieser Umstand löste den Verdacht auf eine Lebererkrankung aus. Zudem litt R. B. seit Jahren an einer Bluterkrankung und einer Blutgerinnungsstörung, mit der er sich in kontinuierlicher Behandlung befand. Als R. B. mit den Stationsärzten seine Anamnese durchging, hielten diese eine transkutane Blindbiopsie (eine Probeentnahme von Lebergewebe, die durch die Bauchdecke entnommen wird) für das Mittel der Wahl. Diese sei jedoch wegen einem erhöhten Blutungsrisiko, das der Status als Bluter mit sich bringe, nicht durchführbar. Stattdessen empfahlen sie eine Laparoskopie – ein Verfahren, bei der ein Chirurg kleine Öffnungen in die Bauchdecke schneidet, in diese ein Endoskop einführt, um den Innenraum der Bauchhöhle sichtbar zu machen, und dann Gewebeproben entnimmt. Dieser Empfehlung folgte der Patient. Die Operation wurde nicht in Vollnarkose durchgeführt, sondern mit einer Analgosedierung. Die Operation misslang jedoch, brachte den Patienten in Lebensgefahr und musste wegen unerträglichster Schmerzen abgebrochen werden. Sie wurde grob fehlerhaft durchgeführt und verstieß gegen grundlegende ärztliche Behandlungsstandards. Zudem erzeugte sie diverse gesundheitliche Dauerschäden, die eine Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung von R. B. nach sich zogen.

Der Zwang zur Klage, ein alternativloser Gerichtsprozess

Nachdem der Versuch einer außergerichtlichen Verständigung scheiterte, entschloss sich R. B., das Klinikum auf Schadensersatz zu verklagen. In diesen Kampf zog er mit sukzessive 12 Privatgutachtern als „Verbündeten“, die für ihn medizinische Stellungnahmen verfassten, auf denen seine Argumentation fußte. Zugleich sah er sich mit drei gerichtlich bestellten Sachverständigen konfrontiert – dem Chirurgen Prof. K., dem Anästhesisten Prof. S. sowie dem Gastroenterologen Dr. B. Schnell stellte sich heraus, dass alle drei in Totalopposition zur Position des Klägers agierten. Umfangreiche Unterstützung erhielt der Kläger durch die Allgemeinmedizinerin Dr. M., die den gesamten Prozess mit einem außergewöhnlichen Engagement verfolgte und durch diverse medizinische Stellungnahmen begleitete. Sie fungierte als Vertrauensperson des Klägers und der Selbsthilfegemeinschaft Medizingeschädigter e.V., die den Kontakt vermittelte.

Vorwürfe

Die Fragen, die das Gericht zu klären hatte, drehten sich um die Vorwürfe, die der Kläger den Beklagten machte. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Es bestand keine Indikation für eine Laparoskopie.
  2. Durch eine falsche und fehlerhaft durchgeführte Operation geriet der Kläger nicht nur in Lebensgefahr, sondern es wurde ein Dauerschaden verursacht, der zu einer Erwerbsunfähigkeit führte.
  3. Die Beklagten manipulierten die Krankenakte, indem sie a) falsche, nicht dem Kläger zugehörige Röntgen- und CT-Bilder einfügten und b) Unterschriften fälschten, um nachträglich den Anschein zu erwecken, dass der Kläger rechtmäßig aufgeklärt worden sei und eine Einverständniserklärung unterschrieben habe.
  4. Der Kläger wurde zu keinem Zeitpunkt über Alternativen und Risiken - sowohl zur Operationsform als auch zur Anästhesie - aufgeklärt.
  5. Die Beklagten unterließen es, die Blutwerte des Klägers korrekt zu bestimmen. Dadurch leisteten sie ihrer Entscheidung für eine falsche Operationsform Vorschub und lösten starke Blutungen aus, die eine Kettenreaktion von Dauerschäden verursachten.
  6. Die operationsbedingten Schäden hatten sich vermeiden lassen, wenn die Sedierung nicht durch eine Arzthelferin, sondern - wie gesetzlich vorgeschrieben - durch einen Anästhesisten erfolgt wäre.

Indikation

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. K. machte deutlich, dass er die erfolgte Laparoskopie auch bei R. B. für mit erhöhtem Blutungsrisiko für vertretbar halte, weil Blutungen durch Koagulation (Blutgerinnung) kontrolliert und gestoppt werden könnten.

Er bestätigte einige handwerkliche Fehler bei der Durchführung der Operation, die er als einen Behandlungsfehler einstufte. Insgesamt hielt er diese jedoch nicht für schwerwiegend genug, um sie in eine Beziehung zu den Schäden des Klägers zu bringen. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Laparoskopie „nicht unter gröbster Verletzung des ärztlichen Standards durchgeführt“ wurde. Der zweite Sachverständige, Dr. B. hingegen bestritt, dass es zu handwerklichen Fehlern gekommen sei.

Kritik

Nach Einschätzung der Privatgutachterin Dr. M. beruhen die Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf einer falschen Datengrundlage. Denn er stütze seine Argumentation auf Patientendaten, die aus dem Jahr 2006 stammen. Diese wiesen zwar in der Tat erhöhte Blutwerte aus und könnten deshalb – wie vom Sachverständigen ins Feld geführt – eine Laparoskopie rechtfertigen. Diese Erhöhung stünde jedoch nicht im Zusammenhang mit der Bluterkrankung des Klägers, sondern resultiere aus einer jahrelangen Einnahme diverser Medikamente als Folge einer Bandscheibenoperation, die die Werte künstlich in die Höhe getrieben habe. In den Monaten vor der Operation hätten sich die Werte normalisiert, seien aber vom Sachverständigen nicht zur Kenntnis genommen worden. Diese Argumentation wurde von vier weiteren Privatgutachtern gestützt, die der Kläger zurate gezogen hatte.

Wurde der Patient durch die auftretenden Komplikationen in Lebensgefahr gebracht?

Der Sachverständige Prof. K. bestritt, dass es infolge der Operation zu lebensgefährlichen Komplikationen gekommen sei, weil eine solche Situation ein Ausspuken von Blut voraussetze. Dies sei in der Krankenakte nicht dokumentiert. Der Kläger jedoch versicherte, dass dies der Fall gewesen sei und warf den Beklagten vor, es bewusst nicht dokumentiert zu haben. Wenn jedoch keine Lebensgefahr bestanden habe, warum wurde die Operation dann abgebrochen und der Patient auf die Intensivstation verlegt? Zudem stehen Aussagen des Sachverständigen im Widerspruch zu denen des Privatgutachters und Anästhesisten Dr. T. „Unstrittig wurde der Patient durch die auftretenden Komplikationen in Lebensgefahr gebracht.“

Behandlungsfehler?

Die zentrale Frage jedes Medizinprozesses kreist darum, ob es zu einem Behandlungsfehler gekommen ist. Die Lektüre der Stellungnahmen der Sachverständigen hinterlässt den Eindruck, dass sie eine Antwort umschiffen. Denn sie vermeiden weitgehend eine Erörterung der Bedingungen, die einen Behandlungsfehler voraussetzen. Im Kern attestierten sie zwar partielle Mängel, machten jedoch zugleich deutlich, dass die Behandlung im Einklang mit gängigen medizinischen Standards erfolgt sei.

Laut dem Privatgutachter Dr. T. bestehe jedoch „ein eindeutiger Kausalzusammenhang zwischen den extremen erlittenen Schmerzen, der zwischenzeitlich bestehenden Lebensgefahr, einer möglichen posttraumatischen Belastungsstörung und dem ärztlichen Fehlverhalten. Daher widerspreche ich dem fachchirurgischen Gutachter (Anmerkung: gemeint ist Prof. K.) vehement, es sei ‚kein ursächlicher Zusammenhang‘ zwischen den Beschwerden und dem Behandlungsfehler nachweisbar […] Es liegt folglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gesundheitsstörung aufgrund einer Komplikation einer ärztlichen Behandlungsmaßnahme vor. Für die Nichtdurchführung einer sofortigen Narkose bzw. das Nichtanbieten einer solchen gilt: Ein solches ärztliches Handeln ist aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich, weil ein solcher Fehler dem Arzt aus dieser Sicht schlechterdings nicht passieren darf (sog. ‚grober Behandlungsfehler‘).“

Zum selben Ergebnis kommt auch die Privatgutachterin Dr. M.: „In der Zusammenschau der Behandlungsfehler ist aus medizinischer Sicht die Vorgehensweise nicht mehr nachvollziehbar.“

Manipulation der Krankenakte

Als R. B. die Klinik verließ, überreichte ihm das Personal seine Krankenakte in Form einer CD, die Kopien der angefertigten CT- und Röntgenbilder enthielten. Er staunte deshalb nicht schlecht, als er in Vorbereitung des Prozesses feststellte, dass diese Bilder nicht von ihm stammten und einem anderen Patienten zuzuordnen sind. Zudem enthielten sie eine fehlerhafte bzw. lückenhafte Kennzeichnung. So fehlte den Bildern der Hinweis, wer und wo sie angefertigt hatte. Die digitalen Metadaten der CD wiesen die Radiologie Klinik I. O. und den Namen dessen Chefarztes als Bilderproduzenten auf. Diese Klinik hatte R. B. jedoch nie besucht. Im weiteren Verlauf des Prozesses stellte sich zudem heraus, dass die Originalkrankenakte verschwunden war und dass die Unterlagen, die an die Sachverständigen gelangten, nicht oder nur teilweise dem Kläger zugeordnet werden konnten. Zudem wurde deutlich, dass sich divergierende Versionen mancher Dokumente im Umlauf befanden. So unglaublich es klingt: Aber das Gericht ging diesen Ungereimtheiten nicht nach. Obwohl der Kläger wiederholt und nachhaltig Transparenz einforderte, verweigerte sich das Gericht einer Aufklärung diverser Ungereimtheiten, die den Wert des gesamten Prozesses unterliefen.

Die Klinik erklärte die falsche Etikettierung zunächst mit einer fehlgeschlagenen Softwareumstellung, die sich mit dem Behandlungszeitraum des Klägers überschnitt. Nachdem das gesamte Ausmaß der fehlerhaften Krankenakte immer deutlicher wurde, behauptete sie, dass die Bilder in der Radiologie ihres Hauses verwechselt worden seien. „Im vorliegenden Fall lag eine singuläre Verwechslung eines Röntgenantrags und somit ein menschlicher Durchführungsfehler vor, der grundsätzlich nie zu 100 % ausgeschlossen werden kann.“ Laut Gerichtsprotokoll der mündlichen Befragung des Sachverständigen „handele (es) sich um Unterlagen aus der Radiologie, diese seien nicht permanent in der Patientenakte enthalten, so dass es insoweit zu einer Vorlage eines anderen Exemplars gekommen sei.“

Widersprüche

Diese Begründung kann jedoch nicht stimmen, weil Dr. H., der Chefarzt der Röntgenologie der Klinik, in einer E-Mail an das Gewerbeaufsichtsamt Niederbayern, das der Kläger für eine Überprüfung hinzugezogen hatte, bestätigte, dass zentrale, dem Sachverständigen zugeleitete CT- und MRT-Aufnahmen nicht in seiner Abteilung angefertigt worden seien. Wäre es – wie von der Klinik behauptet – zu einer Verwechslung gekommen, hätten die Originale zudem noch archiviert sein müssen und dem Gericht vorgelegt werden können. Dies erfolgte jedoch zu keinem Zeitpunkt.

Auch der Privatgutachter und Radiologe Prof. S. bestätigte, dass eine weitere Aufnahme unmöglich dem Kläger zugeordnet werden könne. „Bei der Thoraxaufnahme in Rückenlage vom 15.06.2007 handelt es sich mit Sicherheit nicht um eine Thoraxaufnahme von Herrn B.“

Zudem stellte sich heraus, dass sich zwei unterschiedliche Endoskopieberichte und zwei unterschiedliche Endoskopie-Überwachungsbögen vom 14.06.2007 im Umlauf befanden. Auch Sonographie-Bilder, die die Klinik an die Sachverständigen weiterleitete, ließen sich nicht dem Kläger zuordnen. Denn der Privatgutachter und Graphologe Dr. Kl. bestätigte, dass diesen selbst die elementarsten Kennzeichnungsnachweise wie Patientenname, Aufnahmenummer, Geburtsdatum, untersuchender Arzt fehlen. „Dass es sich bei den Bildern um Untersuchungen von Herrn B. handelt, ist somit zweifelhaft.“

Die Ignoranz eines Sachverständigen

Obwohl der Kläger mehrmals Prof. K. aufforderte, zu diesen Ungereimtheiten Stellung zu nehmen, verweigerte er jede Auskunft. Auch teilte er sich nicht mit, wie er in den Besitz der falschen Unterlagen gekommen sei. Er räumte lediglich in der mündlichen Befragung ein, dass zwei zentrale Aufnahmen vom 14.06.2007 und 18.06.2007 nicht vom Kläger stammen könnten. Das Bild vom 14.06. stamme nachweislich von einer Frau. Das Gerichtsprotokoll seiner mündlichen Befragung zitiert ihn mit den Worten: „Letztlich kann die Zugehörigkeit der CTs zu Herrn B. nicht 100-prozentig versichert werden […]“

Zugleich hielt er diesen Umstand für unerheblich und setzte sich über alle Einwände hinweg. „Ob ein Behandlungsfehler vorlag oder nicht kann ich unabhängig davon beurteilen, ob CT-Aufnahmen des Klägers vorliegen.“

Kritik

Der Verdacht einer Krankenaktenmanipulation liegt nahe, weil die Unterlagen nicht in einem ersten Schritt von den Beklagten dem Gericht, sondern direkt dem Sachverständigen Prof. K. ausgehändigt wurden. Dieser übergab die Unterlagen wiederum – wie Prof. H., der Vorgesetzte von Prof. K., schriftlich dem Richter B. bestätigte – an den Zweitbegutachter Dr. B. So wurde einer Manipulationsmöglichkeit Tür und Tor geöffnet, weil eine kontrollierende Instanz wegfiel. Der Kläger vermutet, dass Prof. K. den Operationsbericht wissentlich aus der Krankenakte entfernt hat. Dafür spricht, dass er in seinem Gutachten die Namen der Ärzte nennt, die den Durchgriff vermeintlich durchführten. Diese Information kann er nur dem Operationsbericht entnommen haben. Dr. B. hingegen betont explizit, dass aus den Unterlagen nicht ersichtlich sei, wer den Eingriff durchgeführt habe. Beweisen lässt sich diese Vermutung jedoch nicht, weil das Gericht keine Aufklärung vom Sachverständigen forderte und dieser sämtliche Nachfragen des Klägers unbeantwortet ließ.

Vorsätzliche Täuschung?

Das Verhalten des Sachverständigen Prof. K. wirft deshalb lauter Fragen auf. Wie Dr. M. resümiert: „Falls dem Sachverständigen falsche Röntgenbilder und CT zugeschickt wurden, ist es die Pflicht des Gutachters, dem Gericht dies zu melden, nach § 407 Abs. 3 ZPO. Dem Gericht wurde nicht gemeldet, dass ihm falsche Bilder zugesandt wurden […] Da sogar der Sachverständige in der Anhörung im LG Regensburg zugibt, dass weder die Röntgenbilder noch die CT Herrn B. angehören, ist von einer vorsätzlichen Täuschung auszugehen, die nach § 839a BGB geahndet werden kann. Der Kausalzusammenhang zwischen dem unrichtigen Gutachten und der gerichtlichen Entscheidung nach § 286 ZPO ist gegeben, da das Gericht annehmen musste, dass selbst ohne die CT-Aufnahmen und Röntgenbilder der Sachverständige feststellen könnte, dass kein Dauerschaden bei dem Patienten vorläge.“

Wenn die zweifelhafte Herkunft von Bildern unstrittig ist, warum macht der Sachverständige sie trotzdem zur Grundlage seiner Befundung? „Doch nur deshalb, weil auf diesen Bildern die große Ausdehnung der Lufteindringung ins Mediastinum und in das Abdomen bis zur Leiste hin nicht dargestellt werden. Da die CTs und Röntgen-Thorax-Bilder nicht das Ausmaß der Lufteindringung zeigen, wie bis in die Halsweichteile, ins Mediastinum, freie Luft intraperitoneal, pararenal links bis in die linke Leiste sowie auch Luft rechts in den pararenalen Raum, sollte das im Gutachten nicht gezeigt werden. Deshalb wurden fremde Bilder in das Gutachten hineinkopiert“, vermutet Dr. M.

Auffällig ist ferner, dass Prof. K.s Gutachten ein anderes Aktenzeichen trägt als jenes, welche das Gericht für den Fall anlegte. Dies wirft die Frage auf, ob er einen völlig anderen Fall als den des Klägers befundete.

Aufklärung

Als das Klinikum aufgefordert wurde, die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung nachzuweisen, konnte sie lediglich einen vom Kläger unterschriebenen Aufklärungsbogen für eine Leberbiospie, nicht jedoch für eine Laparoskopie vorweisen. Sie präsentierte zudem einen unvollständig ausgefüllten Aufklärungsbogen für eine Laparoskopie. Die Klinik argumentierte zunächst, dass der Kläger mündlich am Tag der Operation von ihrem Mitarbeiter Dr. R. aufgeklärt worden sei, weil dieser sich erst kurzfristig zu dieser Operationsform entschlossen habe. Später präsentierte sie einen weiteren Aufklärungsbogen, der angeblich die Unterschrift des Klägers trüge, von dem der Kläger jedoch behauptete, ihn nie unterschrieben zu haben.

Der Privatgutachter und Anästhesist Dr. T. hielt diesen Aufklärungsbogen – ob mit oder ohne Unterschrift – in jedem Fall für rechtsungültig. „Die vorgelegte Aufklärung zur Bauchspiegelung ist in wesentlichen Teilen nicht ausgefüllt, es ist strittig ob sie überhaupt in dieser Art durchgeführt wurde. Letztlich findet sich hier keinerlei nachvollziehbare Diskussion zu einem zeitgemäßen Narkoseverfahren. Allein dies macht die Aufklärung unzureichend, denn eine den Eingriff legitimierende Einwilligung setzt eine korrekte Aufklärung voraus.“

Um Gewissheit über den Urheber der Unterschrift zu erhalten, beauftragte das LG Regensburg das bayerische Landeskriminalamt mit einer Klärung. Dieses kam zu dem Schluss, dass die erste Unterschrift nicht zweifelsfrei von dem mutmaßlichen Operateur Dr. R. und die zweite Unterschrift mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von R. B. stamme. Daraufhin zeigte die Klinik R. B. wegen Betrugs und falscher Beschuldigung einer Dokumentenfälschung an. Die Kripo durchsuchte sein Haus und nahm Unterschriftenproben von ihm mit, die bereits dem Gericht vorlagen. Sie stellte die Ermittlungen jedoch wieder ein, weil sie den Vorwurf nicht klären konnte.

Der Graphologe Prof. Kl. hingegen, den R. B. daraufhin konsultierte, verwarf die Ergebnisse des Landeskriminalamtes und konstatierte, dass seine Unterschrift mit „sehr großer Wahrscheinlichkeit“ gefälscht sei. Erst nach Prozessende erfuhr R. B., dass gegen ihn auch ein Ermittlungsverfahren lief, in dessen Verlauf die Staatsanwältin erfolglos von der Klinik den Original-Aufklärungsbogen angefordert hatte. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Anästhesie

Der Kläger berichtete, dass er während der Operation unsägliche Schmerzen erlitten habe, die ihn zeitweise bewusstlos machten und sein Leben gefährdeten. Er führe dies auf eine fehlerhafte Anästhesie zurück. Statt die Operation in Vollnarkose durchzuführen, habe sich die Klinik fahrlässiger Weise für eine Analgosedierung entschieden. Diese sei zudem nicht, wie vorgeschrieben, einem Arzt, sondern einer Arzthelferin anvertraut worden. Diese zeigte sich jedoch von der Situation überfordert und reagierte nicht, obwohl der Patient, noch bei Bewusstsein, wiederholt nach einer Narkose verlangte. Doch trotz dieser unstrittigen Komplikation vermochten die Sachverständigen kein Fehlverhalten zu erkennen. Dr. B. betonte, dass er im vorliegenden Fall die Analgosedierung für das Mittel der Wahl halte. Auch sei es nicht erforderlich, dass diese zwingend von einem Narkosearzt durchgeführt werden müsse. Dass jemals ein lebensbedrohlicher Zustand bestanden habe, verneinte auch der Sachverständige Prof. K. Zu einer diametral entgegengesetzten Schlussfolgerung kommt jedoch Dr. M. „Nach dem Blutdruckwert von 85/56 mHg, der dokumentiert ist, muss es aber zu einem lebensbedrohlichen Kreislaufversagen gekommen sein. Der Blutverlust während der Operation betrug laut Arztbericht der Hämatologin V.-K. 830 ml, errechnet nach der Nadler Formel. Es lag also eine lebensgefährliche Situation vor.“

Kritik an den Schlussfolgerungen der Sachverständigen äußerte auch Dr. T. Eine Laparoskopie werde immer in Vollnarkose durchgeführt, hält er fest. „Es macht den Unterzeichner sprachlos, dass ein ansonsten in Vollnarkose durchzuführender Eingriff über einen längeren Zeitraum selbst bei Komplikationen fortgesetzt wird und der Patient Gelegenheit hat, mehrfach um eine Narkose zu betteln. Mutmaßlich wird der Eingriff erst abgebrochen, als der Patient – schmerzbedingt – das Bewusstsein verliert.“

Dauerschaden

Nach Sichtung der Kontrollaufnahmen, die der Kläger nach der Operation am 18.06.2007 anfertigen ließ, kam der Sachverständige Prof. K. zu dem Ergebnis, dass alle Komplikationen ohne Behandlung folgenlos ausgeheilt seien. Auch das in den Brustfellraum fehlgeleitete Lachgas sei folgenlos absorbiert worden. „Die Kontrolluntersuchung 4 Tage später mittels CT konnte eine Resorption des Gases in der Lunge nachweisen, so dass eine vollständige Ausheilung des Pneumothorax erfolgt ist […] Insgesamt ist es zu einer kompletten Ausheilung und Resorption des Gases gekommen, ein Dauerschaden ist dadurch nicht entstanden.“

Dieser Interpretation widersprechen jedoch eine Reihe konträrer Einschätzungen der Privatgutachter:

  1. Der Unfallchirurg Dr. A., den der Kläger zur Nachsorge aufsuchte, diagnostizierte eine HWS-Blockierung, eine starke Behinderung der Atmung und eine Läsion von Pleura und Zwerchfell nach Pelviskopie links als Folgeschaden nach misslungener Laparoskopie. „Bei der Laparoskopie muss es zur Perforation des Zwerchfells gekommen sein, mit anschließendem Gaseintritt in das Mediastinum, wofür die starke Aufblähung im Bereich der Clavicurgruben und des Halses spricht.“
  2. Der Anästhesist Dr. T. bestätigte das Vorliegen eines chronifizierten Schmerzsyndroms als Operationsfolge.
  3. Der Nervenarzt und Psychiater Dr. B. attestierte eine posttraumatische Belastungsstörung und ebenfalls ein chronisches Schmerzsyndrom als Folge von unter Gasdruck gerissener, von den Muskeln ablösender Faszien. Das Versorgungsamt Region Niederbayern stufte diese posttraumatische Störung als eine Behinderung von 30 % ein.
  4. Infolge der durch die Verlegung auf die Intensivstation herrschenden Ausnahmensituation sah sich der Kläger einer massiv erhöhten Zahl an Kontroll-CTs ausgesetzt. Wie der Lungenfacharzt Dr. Br. bestätigte, gingen diese mit einer aufgeblähten – in der Rückschau: unnötigen – Strahlenbelastung einher, dessen Folgen noch nicht absehbar sind.

Das Urteil

Nach dreijähriger Prozessdauer wies das LG Regensburg 2013 die Klage in allen Punkten ab. Es stellte fest, „dass auf einen etwaigen Dokumentationsfehler alleine eine Haftung nicht gestützt werden kann.“ Es folgte der Argumentation der Beklagten dahin, dass das Organisationschaos und die Widersprüche der Zuordnung von CT- und Röntgenbilder nicht auf Vorsatz, sondern auf eine „Verwechslung“ zurückzuführen seien. Diese sei jedoch unerheblich und hätte keinen Einfluss auf die Bewertung. „Für die Beurteilung des Falles ergab sich jedoch keine Relevanz.“

Dass die Beklagten die Originalkrankenakte nicht vorzulegen vermochten, blieb ebenfalls sanktionslos. Auch eine unterlassene Aufklärung vermochten die Richter nicht zu erkennen. Selbst wenn diese vorgelegen hätte: „In jedem Fall griffe auch die beklagtenseits eingewandte hypothetische Einwilligung. […] Insgesamt ist festzuhalten, dass […] von der Verwirklichung eines operationsimmanenten Risikos auszugehen ist und nicht vom Vorliegen eines Behandlungsfehlers.“ Damit erklärte das Gericht die Vorkommnisse für höhere Gewalt.

Auch einen durch die Operationskomplikationen verursachten Dauerschaden erkannten die Richter nicht an. Im Laufe des Verfahrens, genauer: im September 2009, wurde beim Kläger im Zuge einer Magenspiegelung eine abnormale Weitung und Perforation des Zwerchfells diagnostiziert. Dieser Befund diente den Richtern als Haltegriff, um Zweifel an der Argumentation des Klägers zu streuen. „Andererseits wurde das eventuelle Vorbestehen eines solchen Befundes etwa schon vor dem Eingriff als nachvollziehbare Erklärung für eine Ausbreitung des eingeblasenen Gases in den präperitonealen Raum hin bis zum Mediastinum angesehen.“

Unverständlich bleibt auch, dass das Gericht die unstrittige Übertragung der Analgosedierungs-Überwachung an eine überforderte Arzthelferin, die der Kläger als einen zentralen Grund für die Eskalation der fehlgeschlagenen Operation ansieht, nicht sanktionierte. Denn das medizinische Berufsrecht schreibt zweifelsfrei vor, dass eine solche Tätigkeit nur ein Arzt ausführen darf. Ein Verstoß stellt deshalb ein massives Delikt dar, das andere Gerichte in vergleichbaren Fällen strafrechtlich verfolgten. Nicht zuletzt glaubte das Gericht dem Kläger nicht, dass er den Aufklärungsbogen zur Laparoskopie nicht selbst unterschrieben habe. Obwohl ein zertifizierter Mediziner und Graphologe seine Argumentation bestätigte, erkannte das Gericht diese nicht an. „Die klägerseits vorgelegte gegenteilige Sachverständigenäußerung entbehrt schlicht der Gutachtensqualität.“ Aus den Akten lässt sich jedoch nicht erkennen, welche Einwände das Gericht hegte. Stattdessen hielt es die Erklärung der Beklagten für „nachvollziehbar“, „dass die eigene Unterschrift wie auch diejenige des Klägers bei Vergleich des nichtstreitigen und des streitigen Aufklärungsbogens jeweils voneinander abweichen, da dies auf das Fehlen einer geeigneten Schreibunterlage beim Fertigen der zweiten Unterschrift zurückzuführen sei.“

Weil die Klägervertreter sich über dieses Urteil empörten, beantragten sie eine verlängerte Frist zur schriftlichen Stellungnahme zur Beweisaufnahme. Diese lehnte das Gericht ab.

Kritik

Für den Kläger kam dieses Urteil einem Faustschlag ins Gesicht gleich. Nach ungezählten Stunden, die er mit Recherchen, der Suche nach Privatgutachtern, der mühsamen Rekonstruktion der Ereignisse und dem Aufbau von Argumentation und Strategie verbracht hatte, wischte das Gericht seine Mühen mit einem Federstrich vom Tisch. Für sein Empfinden hatte das Gericht nicht nur ein Fehlurteil gesprochen, sondern auch die entscheidenden Fragen nicht beantwortet. Insbesondere empörte ihn, dass das Gericht seine zahlreichen Privatgutachten nicht würdigte. Allein die eindrucksvolle Anzahl von Stellungnahmen, die er mühsam zusammentrug – insgesamt zwölf Mediziner stützen seine Argumentation – machte es mehr als unwahrscheinlich, dass an seinen Vorwürfen nichts dran sein könne. Er hatte mit einem enormen Aufwand an Zeit, Geld und Energie sein Möglichstes getan. Wenn dies nicht ausreiche, um eine Schadensregulation zu erreichen, dann könne etwas mit dem System nicht stimmen. Dann seien die strukturellen und systemischen Hindernisse, die der Gesetzgeber aufbaue, zu hoch und selbst mit außergewöhnlichem Einsatz nicht zu überwinden. Dieser Gedanke erschütterte sein Vertrauen in die Fähigkeit des Systems, Recht zu sprechen. Zugleich entfachte er eine maßlose Wut ihn ihm, vor der zu kapitulieren er sich weigerte. Denn wie kann es sein, dass eine Klinik mit so haarsträubenden und für jedermann sichtbaren Verfehlungen in Aufklärung, Dokumentation und Indikation durchkommt und nicht sanktioniert wird? Deshalb war für ihn klar, dass dieses Urteil nicht das letzte Wort sein konnte.

Doch noch etwas Anderes verbitterte den Kläger: Er hatte schon früh den Eindruck gewonnen, dass das Gericht seiner Arbeit nicht unbefangen und ergebnissoffen nachging. Dieser Verdacht drängte sich ihm nach einem Schlüsselerlebnis auf, in dem das Gericht ihm in einer frühen Phase des Prozesses den Vorschlag unterbreitete, er solle bei Annahme eines Schmerzensgeldes von 10.000 Euro einer Einstellung des Verfahrens zustimmen. Als der Kläger dieses Ansinnen ablehnte, beobachtete er einen veränderten Umgang der Richter mit seiner Person und der Prozessführung. Er fühlte sich zunehmend in die Rolle eines Bittstellers gedrängt und nicht als ein Akteur, dessen Anliegen mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit begegnet wurde. Stattdessen spürte er ein anwachsendes Unbehagen, und dass die Richter nur noch von der Motivation getrieben wurden, ihn auszubremsen und das Verfahren zu einem schnellen Ende zu bringen.

Ein Neustart

Die Niederlage in Regensburg nahm R. B. zum Anlass, einen neuen Rechtsanwalt aufzusuchen. Dieser identifizierte zwei juristische Schwächen des Gerichtsurteils, die ihm einen Ansatzpunkt für eine Revision boten. Zum einen sah er in der Verweigerung der Fristgewährung zur Stellungnahme auf die Ergebnisse der Sachverständigenbefragung einen Rechtsverstoß. Zum anderen griff er die Interpretation der hypothetischen Einwilligung, mit der das LG Regensburg den Vorwurf einer unterlassenen Aufklärung konterte, an. „Zwar kann bei unvollständiger oder fehlender Aufklärung die Behandlungsseite […] die sogenannte hypothetische Einigung behaupten. Beachtlich ist aber, dass in diesem Fall die Beweispflicht den Arzt, also vorliegende die Beklagten trifft. Diese müssen darlegen, dass der Kläger auch ohne ordnungsgemäße Aufklärung auf jeden Fall in den operativen Eingriff eingewilligt hätte. Dies ist aufgrund der mehr als zweifelhaften, nach Auffassung des Klägers nicht gegebenen Indikation keinesfalls anzunehmen, da man nicht der Auffassung sein kann, dass der Kläger, hätte man ihm mitgeteilt, es besteht keine Indikation und Notwendigkeit für den operativen Eingriff, er in diesen eingewilligt hätte. Die Annahme einer hypothetischen Einwilligung ist daher schon dem Grunde nach rechtlich völlig verfehlt.“

Zur Revision ans OLG Nürnberg

Um es vorwegzunehmen: Das OLG Nürnberg kippte das Regensburger Urteil und schlug einen Vergleich vor, den beide Parteien akzeptierten. Warum es das tat und welche Beweggründe es dazu veranlassten, lässt sich aus den Akten nicht entschlüsseln. Denn diese schweigen sich zu zentralen Aspekten und Fragen aus. Deshalb bleibt diese Rekonstruktion zu einem guten Stück auf Vermutungen und Eindrücke des Klägers angewiesen.

Leere Gerichtsakte

In den Gerichtsakten findet sich als einziges Dokument ein Protokoll der mündlichen Befragung des Sachverständigen Prof. S., Facharzt für Hämatologie und Gastroenterologie, den das OLG Nürnberg als einzigen Sachverständigen vorlud und der bereits im Regensburger Prozess ausgesagt hatte. Selbst ein Schriftstück über den Vergleich fehlt. Es finden sich weder Hinweise, welche Überlegungen das Gericht zur Auswahl des Sachverständigen bewogen noch ob und welche Fragen ihm vorab zugestellt wurden. Fest steht nur, dass die Aussagen von Prof. S. diametral von denen abwichen, die er in Regensburg machte. Seine zentralen Feststellungen lesen sich laut dem Nürnberger Gerichtsprotokoll wie folgt:

„Der GPT Wert lag von 2005 bis zum 02.05.2007 über dem Normalwert. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme am 13.06.2007 lag er jedoch im Normbereich. An diesem Tag lag also nur der Gama GTZ Wert über der Norm. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Indikation für einen Eingriff somit abgeschwächt. Man konnte nicht mehr unbedingt von einer behandlungsbedürftigen Leberschädigung ausgehen.“

„Beim Kläger lagen ab 2005 erhöhte Leberwerte vor […] Relevant für das Vorliegen einer Erkrankung sind der GOT und vor allem der GPT Wert. Sofern diese Werte erhöht sind, deutet das auf einen Zerfall der Leberzellen hin […] Insgesamt ist zu sehen, dass sich die Leberwerte des Klägers im Zeitraum von 2005 bis zum 13.06.2007 verbessert haben. Es wäre auch vertretbar gewesen, die Werte nur weiter zu beobachten.“

„Mir ist nicht bekannt, ob anlässlich des stationären Aufenthalts bei der Beklagten im Juni 2007 eine Sonografie stattgefunden hat. Vor Durchführung einer Laparoskopie ist es Standard, die nichtinvasiven Untersuchungen auszuschöpfen. Eine solche Untersuchung wäre die Sonografie.“

„Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Einweisung des Klägers zur Biopsie und eines Arztbriefes, der etwa ein halbes Jahr vorher datiert und in dem auch eine Biopsie vorgeschlagen wird, muss der Behandler die Indikation eigenständig prüfen.“

Erstaunlich ist auch, dass auf einmal die Beklagten eingestanden, nicht in voller Kenntnis aller erforderlichen Blutwerte operiert zu haben. „Beide Parteivertreter erklären übereinstimmend, dass das Ergebnis der am 13.06.2007 entnommenen Blutprobe zum Zeitpunkt der Aufklärung des Patienten nicht vorlag.“

Im Ergebnis kommt das OLG Nürnberg zu einer diametral entgegengesetzten Bewertung als das LG Regensburg. Diese lässt sich mit der zentralen Passage aus dem Protokoll der Sachverständigenbefragung zusammenfassen, demnach „für den Eingriff eine nur relative Indikation vorgelegen haben dürfte. Der Kläger wäre deshalb darüber aufzuklären gewesen, dass auch andere Alternativen bestanden hätten, vorliegend z.B. eine weitere Beobachtung der Leberwerte […] Die Voraussetzung einer hypothetischen Einwilligung, für welche die Beklagtenseite die Beweislast trägt, dürfte nicht vorliegen. Mangels ordnungsgemäßer Aufklärung dürfte der Eingriff deshalb rechtswidrig gewesen sein, mit der Folge, dass die Haftung im Grunde nach besteht. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bezüglich der Folgen des Eingriffs weitere Beweiserhebungen notwendig sein werden. Der Senat regt deshalb an, den Rechtsstreit vergleichsweise durch Zahlung von 15.000 Euro zu beenden.“

Intransparenz als Methode

Warum sich der Wind des Schicksals drehte und Prof. S. seine Meinung revidierte, ist unbekannt und mit Logik allein nicht beizukommen. Der Kläger vermutet, dass der Richter ihn in diese Richtung gedrängt habe, weil er die Verfahrensmängel des vorangegangenen Prozesses nicht übersehen konnte und darin erhebliches Revisionspotential erkannte, das er nicht zur Entfaltung kommen lassen wollte. Um seinen Regensburger Richterkollegen die Gefahr weiterer Peinlichkeiten zu ersparen, die eine Fortführung des Prozesses mit hoher Wahrscheinlichkeit publik gemacht hätte, habe er die Beteiligten deshalb zu einem Vergleich gedrängt. Dieser setzte jedoch voraus, dass der oder die Sachverständigen ihre Stellungnahmen abänderten. Nach dieser Logik bot die Vorladung der kleinstmöglichen Anzahl an Sachverständigen – also lediglich einem – die größten Erfolgsaussichten für dieses Anliegen.

Ein Anruf, ein Deal

Es ist anzunehmen, dass Gericht und Anwälte einen informellen Deal geschlossen haben. Für diese Version spricht die Auskunft des Klägers, dass sein Rechtsanwalt ihm kurz vor der Sachverständigenbefragung mitteilte, mit dem Richter telefoniert zu haben. Als er sich nach weiteren Details erkundigte, gab sich der Anwalt schmallippig und wenig auskunftsbereit. Erst im Nachhinein erkannte der Kläger die vermutliche Brisanz dieser Mitteilung und die verpasste Möglichkeit, den Dingen weiter auf den Grund zu gehen.

Wenn Gerichte sich eigener Fehler bewusst werden, neigen sie zu intransparentem Verhalten. Dies äußert sich z. B. darin, dass problematische Aspekte nicht protokolliert werden. Dann setzt eine Hinterzimmerdiplomatie ein, um Revisionsgründen vorzubeugen. Denn nichts fürchten Richter mehr als Urteile, die nicht wasserfest sind und von der nachfolgenden Instanz aufgehoben werden. Denn diese lassen auf handwerkliche Mängel schließen, die Vorgesetzten nicht entgehen und deshalb schlecht für die eigene Karriere sind.

Potenziertes Leiden

Warum er diesem Vergleich mit seiner lachhaften Schadensersatzsumme, die allein von den Gutachterkosten wieder aufgebraucht sein dürfte, überhaupt zugestimmt habe? Von der Schadensersatzsumme von 15.000 Euro blieben ihm nach Abzug aller Kosten (Anwaltskosten, Privatgutachterkosten, Reisekosten, Korrespondenzkosten) 3.300 Euro übrig. Für eine solche lachhafte Summe der ganze Aufwand? Er sei nach sieben Jahren Prozessführung mit seinen Kräften am Ende und desillusioniert von Realität und Praxis, mit der Gerichte ihr Geschäft betrieben. Er habe den Glauben in die Fähigkeit des Rechtssystems, auch Recht sprechen zu können, verloren, spüre nur noch Wut und Empörung und fühle sich von seinen Erfahrungen traumatisiert. Die Hausdurchsuchung durch die Kripo, die das Regensburger Gericht veranlasste, habe ihm den Rest gegeben und das Fass zum Überlaufen gebracht. Er müsse sich eingestehen, dass dieser Kampf einem Kampf David gegen Goliath gleiche und dass David nur im Mythos, nicht aber in der Realität gewänne. Er wolle deshalb nicht weiter gutes Geld einem schlechten System in den Rachen werfen. Dazu aber sähe er sich gezwungen, wenn er seine Ansprüche vollumfänglich weiterverfolgen wolle. Denn das OLG Nürnberg habe seinem Vergleich keine „Anerkennung einer Rechtspflicht“ zugrunde gelegt und explizit hervorgehoben, dass für einen höheren Schadensersatz weitere Beweiserhebungen vonnöten seien. Dazu sehe er sich jedoch nicht in der Lage, weil ihm die Original-Krankenakte nicht zur Verfügung stünde. Absurderweise falle der Umstand, dass die Beklagten ihren Dokumentationspflichten nicht nachgekommen seien, weil sie die Original-Krankenakte nicht vorzulegen vermochten, nicht auf die Verursacher, sondern auf ihn, den Kläger zurück. Das sei ein unhaltbarer Zustand.

Viele Fragen, keine Antworten

Es bleibt festzuhalten, dass auch das OLG Nürnberg der Frage nicht weiter nachgegangen ist, wie es zu den Manipulationen der Krankenakte kommen konnte und auf welchen Wegen welche Unterlagen an die Sachverständigen gelangten. Es bleibt ebenso unklar, ob das OLG über das gesamte Ausmaß dieser Farce im Bilde war. Denn wie der Kläger bei einer Überprüfung feststellte, lag seine Krankenakte dem OLG Nürnberg nur unvollständig vor. Zentrale Dokumente, darunter die dem Kläger mit der Entlassung ausgehändigte CD sowie Teile seiner Privatgutachten, die seine Dauerschäden belegen, fehlten. Dies legt den Schluss nahe, dass das LG die Prozessakte nicht bzw. nur partiell an das OLG Nürnberg weiterleitete. Es machte nicht nur Dr. M. fassungslos, dass ein solches Verhalten keine Konsequenzen nach sich zog. „Es gilt zu ermitteln, wer im LG Regensburg die Arztberichte, die den Dauerschaden des Klägers dokumentieren, den Gerichtsgutachtern, der Beklagtenpartei und dem OLG Nürnberg vorenthalten hat […]“.

Man fragt sich, ob nicht zusätzlich zu den Beklagten auch die Sachverständigen und die Richter aus dem Regensburger Prozess auf die Anklagebank gehörten.