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Unsere Position

Der Patienten- und Pflegebeauftragte des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, Herr Prof. (Univ. Lima) Dr. Bauer MdL, unterhält das regelmäßige Veranstaltungsformat "Runder Tisch Patienten- und Pflegeangelegenheiten", an dem unterschiedliche Akteure des Gesundheits- und Sozialwesens Informationen austauschen.

Anlässlich der Videokonferenz am 16.05.2022 zum Schwerpunktthema „Behandlungs- und Pflegefehler“ hat unser Vorsitzender, Herr Karl-Heinz Schlee, zur Thematik ein Positionspapier erstellt, das Sie mit diesem Link (oder durch Klick auf die Miniaturansicht) als pdf herunterladen können.

Für alle, die das Positionspapier lieber direkt auf unserer Seite lesen wollen, haben wir hier eine Kopie eingestellt:

Position und Rechtfertigung

der Selbsthilfegemeinschaft Medizingeschädigter (SGM)

Vorbemerkung

Wenn in dem vorliegenden Positionspapier der SGM verschiedentlich sehr deutliche und unbequeme Worte oder Sätze fallen, so möge man dies dem Autor und Vorsitzenden der SGM verzeihen. Er machte schließlich wie viele seiner Leidensgenossinnen und -genossen selbst sehr, sehr schlimme Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen, das er seither lieber Krankheitswesen nennen würde. Er verlor seine Frau aufgrund einer ganzen Serie grober Behandlungsfehler, für deren Bestätigung zwei Gerichtsinstanzen sage und schreibe 14 Jahre benötigten und dafür bis dato 60.000 € verbrannten. Und noch ist kein Ende des Dramas abzusehen. Nach dem Willen der für den Tod der Frau Verantwortlichen und ihrer Streithelfer soll der Kampf nun auch noch am BGH weitergehen.


Kurze Historie der NGM/SGM

Die Initiative gründete sich als Notgemeinschaft Medizingeschädigter (NGM) am 03. Oktober 1996 in Oberfranken zwecks Unterstützung von Opfern medizinischer Behandlungsfehler. Der Eintrag in das Vereinsregister am Amtsgericht Bamberg erfolgte am 23.01.1997. Am 13. Juni 1997 erkannte das Finanzamt die NGM zunächst vorläufig und wenig später auch endgültig als gemeinnützig an.

Im November 2013 wurde dem langjährigen Vorsitzenden der NGM und jetzigen Ehrenvorsitzenden der SGM, Herrn Ewald Kraus für Leistungen im Bemühen um Medizingeschädigte die Ver-dienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Im Oktober 2016 folgte dann noch die Ehrung mit der Bayerischen Staatsmedaille für Verdienste um Gesundheit und Pflege. Diese überreichte Herrn Kraus die Staatsministerin Frau Melanie Huml persönlich. Beide Ereignisse waren zweifellos Höhepunkt der nunmehr 26-jährigen Vereinsgeschichte.

Im Juli 2017 verlegte die Notgemeinschaft Medizingeschädigter – Patient im Mittelpunkt – e.V. den Sitz von Erlangen nach Nürnberg. Sie änderte damit zugleich auch ihren Vereinsnamen. Im Oktober 2018 bezog sie dann nach 18-monatiger Obdachlosigkeit mit neuer Teilzeitkraft, einer diplomierten Sozialpädagogin ein Büro mit Konferenzraum in der Maxfeldstraße 9 in Nürnberg.

Seit Gründung im Jahr 1996 vertrauten insgesamt mehr als 1.200 Medizingeschädigte ihrer Not- und Selbsthilfegemeinschaft Sorgen, Nöte und Erfahrungen an. Ungleich höher allerdings, nämlich schätzungsweise 6.000 luden in all den Jahren meist hochemotional ihre Enttäuschungen, ihren Är-ger und ihre Wut über Gesundheitsdienstleister bei den Beratern der NGM/SGM ab, ohne sich durch eine Mitgliedschaft solidarisieren zu wollen. Anlässe der Empörung waren angeblich erfolglose Ärzte und Patientenanwälte, vermeintlich parteiische Sachverständige sowie ebensolche Richter nach fadenscheinigen Ausflüchten gewisser Gutachter. Derzeit zählt die SGM 400 Mitglieder.


Iatrogenie – Krankheit durch Behandlung, das Kernthema der SGM

Die Krankheit, von der zahllose Patienten nichts ahnen und die die Mitglieder der SGM eint, nennt die Fachwelt Iatrogenie – Krankheit durch Behandlung. Sie ist weder in der ICD10 noch im DSM gelistet und somit auch keiner DRG zuzuordnen. Finanzielle und sonst wirksame Hilfen zur Bewältigung der Folgen dieser ganz besonderen und vor allem auch peinlichen Krankheit sind somit erfahrungsgemäß nicht zu erwarten. Damit gilt zugleich wohl auch die Regel „was nicht sein kann, darf nicht sein“. Betroffene können bestenfalls mit der Diagnose posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED) nach ICD rechnen oder man überlässt dann solidarisch die unbequeme Bewältigung der Iatrogenie-Folgen der Justiz. Dort herrscht zum Trost der Täter wie einst im Wilden Westen ausnahmslos das Recht des Stärkeren.


Zweck und Wirkung der Rechtspflege im Arzthaftungsrecht aus Sicht der SGM

Das Arzthaftungsrecht habe, wie patientenkritische Juristen und Funktionäre der Bundesärztekam-mer doch wirklich meinen und formulieren, Präventionsfunktion zur Fehlervermeidung und Scha-densverhütung. Tatsächlich würden ja Ärztinnen und Ärzte nicht persönlich haften; schließlich sind Sie gegen Behandlungsfehler versichert, quasi geimpft. Die Versicherungen würden dann, so die naive Annahme, über Bonus-Malus-Systeme das Verhalten der Versicherten steuern und präventiv auf die medizinische Behandlungsqualität einwirken. Dass dem gerade nicht so ist, zeigen faktisch die vielen, eifrigen Bemühungen, selbst zunächst harmlose Behandlungsfehler zu verschleiern, die dann aber sehr oft im Dominoeffekt ganze Kaskaden ungleich verheerendere Behandlungsfehler auslösen.

Für Unfallopfer im Straßenverkehr mit Körperschäden sichert die Polizei Beweise. Deren Beseiti-gung, Unfallflucht zum Beispiel, ist ein Straftatbestand. Für die Luftverkehrswirtschaft gibt es ein Flugunfalluntersuchungsgesetz. Warum nicht ein solches der Gesundheitswirtschaft angepasst?

So bezahlen Medizinopfer bei erdrückender Beweislast das Lehrgeld ihrer mittel- und unmittelbaren Peiniger. Deren vom Versicherungs-Malus bedrohtes Verhalten generiert durchgehend wahrnehmbar eifriges Bestreiten berechtigter Vorwürfe und Beweisvereitelung. Bei vielen Richterinnen und Richtern wie auch bei deren Sachverständigen können die ach so bedauernswerten second victims und Beklagten erfahrungsgemäß mit sehr viel mehr Nachsicht und Verständnis rechnen als geschundene Iatrogenie-Opfer. Es gilt eben bis zur bitteren Neige und ohne Gnade die Regel „in dubio pro reo“.


Die Krankheit des bundesdeutschen Gesundheitssystems

Fehler und Pannen bleiben Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen sowie Pflege-kräften, weil auch nur Menschen, nicht erspart. Sie, die second victims, sind weniger selbst schuld an ihrem Versagen, sondern vielfach ihre oft denkbar schlechten Arbeitsbedingungen. Manch Ge-schädigte(r) könnte vielleicht verzeihen, wenn man spontaner und offener sich der Wahrheit be-diente, ohne erst die Haftpflichtversicherungen ins Boot zu holen.

Für die erwähnten, schlechten Arbeitsbedingungen und die ebenso unzureichende Gesetzeslage sind falsch beratene Politikerinnen und Politiker als Gesetzgeber sowie Geschäftsführer und Shareholder der deutschen Gesundheits- und Versicherungswirtschaft verantwortlich. Ersteren ist sicherlich in gewissem Maß Lobbyisten-Hörigkeit und letzteren zuweilen sogar Gier und Geiz zu bescheinigen mit den für Patienten „schicksalhaften“ Konsequenzen.

Mängel im Gesundheitssystem untergraben das wichtige Vertrauen in die leider keineswegs exakte und unfehlbare medizinische Wissenschaft, wie zahllose Skandale und Krisen von Contergan bis aktuell zu Covid-19 zeigen. Die Zeit in der die deutsche Gesundheitswirtschaft ihren Kundinnen und Kunden noch Vertrauen durch maximale Intransparenz verordnen konnte, scheint Geschichte. Die wachsende Zahl von Skeptikern, Querdenkern und die hohe Zahl der Corona-Impfverweigerer verlangen nach einem Umsteuern. Es ist wohl auch deshalb in vielen Fachpublikationen schon der Ruf nach „Intensivierung der Kommunikation von Wissenschaft mit Politik und Öffentlichkeit“ zu vernehmen. Medizingeschädigte sind ein Teil der Öffentlichkeit.

Wer sich, als Medizingeschädigte(r) im Vertrauen auf den Rechtsstaat Deutschland trotz der In-transparenz und Vielzüngigkeit der Gesundheitswissenschaft an die Justiz wendet, sei es, dass er oder sie für erlittenes Leid gerecht entschädigt, die bedrohte Existenz der Familie gesichert sehen oder nur die Wahrheit wissen will, wird in hohem Maß von Gerichten ausgehungert und bitter ent-täuscht. Sie und er bekommt, wie schon erwähnt, gnadenlos das Recht des Stärkeren im Justizsys-tem zu spüren. Des Volkes Stimme tönt dazu passend im Chor: „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“.

Dies sind die leidvollen Erkenntnisse vieler Menschen und besonders die beinahe ausnahmslos aller Mitglieder der SGM. Die Corona-Pandemie bietet aktuell die große Chance und Hoffnung des Um-steuerns.


Streifzug durch die diversen Statistiken medizinischer Behandlungsfehler

Während man in vielen anderen entwickelten Ländern relativ offen mit der Iatrogenie umgeht, ver-meidet man es sogar hierzulande, dieses Wort zu benutzen und ein diesbezüglich vertrauensbildendes „zentrales Behandlungsfehlerregister“ zu pflegen. Warum wohl?

Das renommierte Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) in Berlin, berichtet nach Auswertung zahlreicher Studien in seinem „Weißbuch Patientensicherheit“ auf Seite 315:

Wenn man diese Ergebnisse zusammenfasst und heutzutage (2018) von jährlich knapp 20 Mill. Krankenhauspatienten ausgeht, ergeben sich allein im Krankenhausbereich

  • 1.000.000 bis 2 Mill. (5 bis 10 %) Unerwünschten Ereignisse (UE),
  • 400.000 bis 800.000 (2 bis 4 %) Vermeidbare Unerwünschte Ereignisse (VUE),
  • 200.000 (1 %) vorwerfbare Behandlungsfehler (negligent adverse events) und
  • 20.000 (0,1 %) auf VUE zurückgehende (also vermeidbare) Todesfälle.

Äußerst bescheiden dagegen nehmen sich die vermuteten Behandlungsfehler in Krankenhäusern und Arztpraxen aus, die Patienten, so sie den nötigen Durchblick dazu hatten, den Gutachterkom-missionen bzw. Schlichtungsstellen oder dem Medizinischen Dienst (MDS) meldeten. Ca. 25 % davon betreffen niedergelassene Praxen und MVZs, 75 % Krankenhäuser.

Nachfolgend beispielhaft die Zahlen des Jahres 2020:

Die Gutachterkommissionen / Schlichtungsstellen der Ärztekammern nahmen von 9.483 Anträgen 7.055 patientenseits erkannte Behandlungsfehlern an. Davon wurde nur …

  • 2.146 mal (30,4 %) der Verdacht auf einen Behandlungsfehler geäußert
  • 1.568 mal (24,7 %) ein vorwerfbarer Behandlungsfehler mit Gesundheitsschaden anerkannt
  • 104 mal ein vorwerfbarer Behandlungsfehler mit Todesfolge anerkannt

Dem Medizinischen Dienst (MDS) wurden patientenseits 14.042 Verdachtsfälle, inklusive 120 Sterbefälle zur Überprüfung gemeldet. Davon wurde erwartungsgemäß nur …

  • 4.099 mal (29,2 %) der Verdacht auf einen Behandlungsfehler geäußert
  • 2.826 mal (20,1 %) ein vorwerfbarer Behandlungsfehler mit Gesundheitsschaden anerkannt
  • 82 mal ein vorwerfbarer Behandlungsfehler mit Todesfolge anerkannt

Diese Zahlen präsentieren die zwei Institutionen als Beweise angeblich wahrer Patientensicherheit in jährlich öffentlichkeitswirksamen Pressekonferenzen. Dabei kommen sie stets zu bemerkenswert ähnlichen Erkenntnissen. Und dennoch erkennen Haftpflichtversicherer besonders die Gutachten der Medizinischen Dienste für Schlichtungen nur äußerst selten an, während die andere Seite gewis-se Begutachtungsanträge ohne Angabe von plausiblen Gründen mitunter erst gar nicht annimmt.

Die Ärztekammer von Baden-Württemberg z.B. vermeldete auf ihrer Internetseite für das Jahr 2018 am 03.04.2019 unter der Schlagzeile „Zahl der Behandlungsfehler im Promillebereich“, „Die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten durch einen Behandlungsfehler zu Schaden kommen, ist extrem gering“. Man bezieht die von Patienten nur laienhaft erkannten und mutig reklamierten Behandlungsfehler auf 20 Millionen Arzt-Patienten-Kontakte in Kliniken und einer Milliarde solcher in Praxen. Was diesen Statistiken zudem fehlt, ist die große Zahl (40.000?) jener Probleme, die Patienten direkt mit Hilfe von Gerichten, Anwälten und Versicherungen zu lösen versuchen.

Im Vergleich der Zahlen des BÄK + MDS mit denen des APS (ohne Praxen/MVZs) stehen
4.394 (~2,2%) vorwerfbare Behandlungsfehler mit Gesundheitsschaden tatsächlichen 200.000 und 186 (~1%) vorwerfbare Behandlungsfehler mit Todesfolge tatsächlichen 20.000 gegenüber.

Da kann doch wohl etwas nicht stimmen!


Finanzierung der SGM

Die der SGM vom Finanzamt Nürnberg gewährte Freistellung von der Körperschafts- und Gewer-besteuer beschränkt sich auf die Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 16 AO). Anderweitige, materielle Hilfeleistungen für Vereinsmitglieder, so sehr sie auch in manchen Fällen dringend erforderlich wären, sind dem Verein versagt. Er finanziert sich aktuell dank Gemeinnützigkeit zu etwa 65% durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

20 % macht die Förderung der GKV nach § 20h SGB V für die Koordination von überregionaler Selbsthilfe sowie für die Installation und Betreuung regionaler Iatrogenie-Selbsthilfegruppen aus.

15 % steuert das ZBFS (ehemals Versorgungsamt) auf Basis der Förderung von Selbsthilfegruppen für Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit bei.

Mit zunehmender, öffentlicher Wahrnehmung der SGM steigt auch die Nachfrage nach verständnisvoller Erstberatung und psychosozialer Zuwendung. Doch leider wächst die Zahl der Mitglieder als finanzielle Säule des Vereins nicht in gleichem Maß. Hier benötigt der Verein zur Bewältigung seiner administrativen Aufgaben dringend professionellen Rat und Unterstützung.


Die Selbsthilfegemeinschaft Medizingeschädigter (SGM) als Beratungsinstitution

gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 16 AO

„Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten“

Diese chinesische Weisheit sieht die SGM in Bezug auf die Gelehrten der medizinischen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften zu großen Teilen für sich bestätigt. Sie akzeptiert dennoch, weil sie und ihr Klientel durch Krankheiten und Schmerzen erpressbar ist, den „status quo“. Sie wollen keine Revolutionäre sein oder werden und hoffen auf die Vernunft und die Einsicht der Gelehrten.

Die SGM richtet ihre Beratungen auf die Erwartungen von Demokraten eines Rechtsstaats aus.

Dadurch, dass sie aufgrund leider sehr begrenzter öffentlicher Präsenz nicht im gleichen Maß wie andere, finanzkräftigere Stellen zu finden ist, kontaktieren Menschen auf der Suche nach Hilfe zur Iatrogenie-Nachsorge zunächst erst die bekannteren mit teils nur mäßigem Erfolg. Die SGM macht fortlaufend die Erfahrung, dass medizinisch und psychisch traumatisierte Behandlungsfehler-Opfer dort nur sehr selten das nötige Verständnis, die entsprechende Erfahrung und die Geduld bei professionellen Beratern finden.

So versuchen die SGM-Berater, wenn wutentbrannte Rat- und Hilfesuchende sie kontaktieren, zual-lererst zu klären, ob und wie der beklagte Gesundheitszustand ohne kontraproduktive Verbitterung und ohne Forderungen nach Strafe und Gerechtigkeit für vermeintliche Täter zu verbessern wäre.

Wie alle anderen Beratungsstellen informiert die SGM ihr meist fassungsloses Klientel von Fall zu Fall zunächst über Chancen, Risiken und Schwächen des § 630 BGB, dem „Patientenrechtegesetz“ sowie über jene des Sozialgesetzbuches (SGB). Die SGM weißt darüber hinaus, soweit nicht schon erfolglos in Anspruch genommen, pflichtgemäß auf die verschiedenen Möglichkeiten und Hilfen der vorgerichtlichen Streitbeilegung durch Mediation und Schlichtung hin. Sie kommt zudem nicht umhin, wegen meist äußerst geringer Chancen vor zähen und zermürbenden Kämpfen vor Gericht zu warnen. Dabei können natürlich die diversen Winkelzüge und Motive von Richtern, Sachverständigen und Anwälten beider Parteien nicht unerwähnt bleiben.

Die SGM bietet im Gegensatz zu anderen Beratungsstellen gesundheitlicher Belange, wie der UPD, Verbraucherzentralen, Gesundheitsläden o.ä. Rat- und Hilfesuchenden Mitgliedschaften an. Dadurch kann sie in sich schlüssige Behandlungsanalysen und qualifiziertere Beratungen über längere Zeiträume anbieten und so beispielsweise Genesungsprozesse, REHA-Maßnahmen oder eventuell doch unvermeidliche Gerichtsverfahren psychisch stabilisierend begleiten.

Diese Mitgliedschaft mit erteilter Datenschutzerklärung ermöglicht z.B. Patientendokumentationen der Mitglieder auf Lücken und Auffälligkeiten hin zu überprüfen, noch bevor geschäftstüchtige Anwälte die jeweiligen Fälle einträglich an sich ziehen. Die SGM-Mitgliedschaft bietet aber auch die Möglichkeit fragwürdige Verläufe medizinischer Behandlungen und Gerichtsverfahren zu analysieren und zu bewerten. Soweit dafür der große Erfahrungshorizont des Vereins selbst nicht reicht, springen ehrenamtliche Experten verschiedener Fachrichtungen ein. Während es hierbei an bewährten Juristen nicht mangelt, lässt leider die breite Unterstützung durch medizinische Fachkräfte sehr zu wünschen übrig. Es wäre schön, wenn bei diesem Problem Teilnehmer am „Runden Tisch“ persönlich oder als Multiplikatoren versöhnend und vertrauensbildend den Beratern der SGM noch wirksamer als bisher zur Seite stehen würden.

Die meist extrem psychisch wie gesundheitlich belasteten und erregten „first victims“, die sich in vermeintlich letzter Hoffnung an die SGM wenden, belasten ihre selbst medizingeschädigten SGM-Berater mit sehr konkreten Inhalten auf das äußerste. Je nach Temperament der Hilfesuchenden sind zunächst meist viel Nachsicht sowie geeignete Mittel der Deeskalation vonnöten, um dann erst ver-ständlich kommunizieren zu können. Die Akteure der SGM tun dabei das, was Ärztinnen und Ärzten oder Politikerinnen und Politikern in der Regel besonders schwer fällt, nämlich zuhören.

So werden aus den „first victims“ der solidarischen SGM-Mitglieder durch ihre Zuhörer- und Be-raterrolle unversehens „second victims“ aber ohne fachliche Nachbetreuung, wie sie allen übrigen Gesundheitsdienstleistern in der „PSU-Helpline“ zur Verfügung steht. Der SGM werden für ihre meist ehrenamtlichen Mitarbeiter jährlich 122,33 € von der „Berufsgenossenschaft für Gesund-heitsdienst und Wohlfahrtspflege“ abgebucht. Obwohl diese und somit indirekt auch der SGM-Verein diese PSU-Helpline mitfinanziert, steht sie den SGM-Beratern nicht zur Verfügung.

Ungeachtet dieser Art Marginalisierung sind die Mitglieder SGM keine Scharfmacher und Aussteiger. Sie wollen trotz individueller und kollektiver Enttäuschungen ebenso ihren Beitrag zur Patien-tensicherheit der Zukunft leisten. So legen sie als Experten der Iatrogenie unverdrossen ihre Finger in die Wunden einer kranken und schamlos-profitorientierten Krankheitswirtschaft. Die aktuelle und hochinteressante IGES-Studie der KV Bayerns macht erschreckend deutlich was der Politik und der Medizin in Sachen Gesundheit besonders wichtig ist.


Die Selbsthilfegemeinschaft Medizingeschädigter (SGM) als Selbsthilfe-Dachorganisation

gemäß § 20h SGB V

sowie

gemäß Bekanntmachung vom 4.10.2017 des Bay. Sozialministeriums, Az. IV4/6418.10-1/57

Dass der überwiegende Teil der SGM-Mitglieder behandlungsfehlerbedingt teils vorübergehend oder dauerhaft gesundheitlich beeinträchtigt, pflegebedürftig und teils sogar schwerbehindert ist aber dennoch durch verständnisvollen Erfahrungsaustauch innerhalb der SGM erfolgreich wieder Frieden findet, ist der Selbsthilfe zu verdanken. Ohne eine solche sind die vielen Enttäuschungen, die die Politik, Medizin und Justiz zuweilen zumutet, kaum zu bewältigen. Auf entsprechende Erfolge in dieser Hinsicht sind die Brückenbauer der SGM besonders stolz. Mit Genugtuung erfüllt auch, dass sogar trauernde Angehörige von Iatrogenie-Opfern noch nach deren Tod ihrer SGM die Treue halten und ihre Erfahrungen einbringen.

Die zwei zurückliegenden Jahre mit den der Corona-Pandemie geschuldeten Kontaktverboten und –ängsten wirkten auch auf die SGM-Selbsthilfe sehr nachteilig. Mit vereinten Kräften und verständnisvollen Unterstützern hofft die SGM die so entstandene „Depression“ zu überwinden und ihren wichtigen Beitrag zur Gesundheit und Patientensicherheit in Form eines landesweiten Netzwerks mit Stützpunkten in möglichst vielen Städten und Landkreisen auszubauen. Unterstützer dabei sollten sein: die vielen Selbsthilfekontaktstellen, viele engagierte Moderatoren, Journalisten, Politiker und Mäzene wie auch couragierte Mediziner, Psychologen und Psychotherapeuten.

Karl-Heinz Schlee

1. Vorsitzender