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Absurdistan Gesundheitssystem.

Fallbeispiele aus deutschen Praxen.

Ein Patient durchläuft über Monate eine Ärzteodyssee, ohne dass ein Arzt ihm helfen kann. Dann findet er über eine Konferenz, die seine Krankenkasse mitfinanziert, zu einem Spezialisten, der ihn von seinem Leiden befreit. Aber die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht, weil es sich nicht um einen Vertragsarzt handelt. Für die enormen Behandlungskosten der erfolglosen Arztbesuche hingegen kommt sie auf. Absurd, oder?

Genauso ist es einem unserer Mitglieder ergangen. Der Würzburger wurde im Mai 2017 von einer Zecke gebissen und suchte daraufhin umgehend seine Hausärztin auf. Diese riet dazu, die gerötete Einstichstelle im Auge zu behalten. Weil ihn Schüttelfrost plagte und er sich äußerst unwohl fühlte, wurde er 14 Tage darauf wieder vorstellig. Die Hausärztin gab eine Blut- und Urinuntersuchung in Auftrag, die jedoch ohne Befund blieb. Weil seine Beschwerden jedoch anhielten - und sich seine Häusärztin mittlerweile im Urlaub befand -, konsultierte er auf ihre Empfehlung hin einen Vertretungsarzt. Dieser untersuchte das Blut auf FSME und auf Drängen des Patienten nachträglich auch auf Borreliose. Weil jedoch auch beide Untersuchungen negativ ausfielen, entließ er ihn mit der Beruhigung, es bestünde kein Grund zur Sorge. Dieser Meinung schloss sich auch die aus dem Urlaub zurückgekehrte Hausärztin an. Begründung: Die zwischenzeitlich unter Normwert gefallenen Werte der Leukozyten hätten sich wieder normalisiert. Allein: an den Beschwerden des Patienten änderte dadurch sich nichts. In den nächsten Monaten begleiteten ihn Schmerzen an diversen Glieder- und Gelenkpartien, Unbeweglichkeit und körperliche Immobilität und Erschöpfung, die ihn zu übermäßigen Ruhepausen zwangen, rund um die Uhr. An einen geregelten Tagesablauf war nicht zu denken.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: von Mai bis Dezember 2017 überwiesen ihn seine Ärzte in chronologischer Reihenfolge zu einem Rheumatologen, Neurochirurgen, Schmerztherapeuten, Neurologen, Radiologen, Internisten, einem weiteren Rheumatologen sowie einem Orthopäden. Alle Besuche blieben erfolglos und brachten keinen neuen Erkenntnisgewinn. Besonders kurios: Der Neurologe empfahl sogar die Einnahme von Psychopharmaka, was der Patient jedoch ablehnte. Der Orthopäde empfahl eine ambulante Kur und Sport. Es wurden mehrere MRT- und CT-Untersuchungen von Kopf und Halswirbelsäule sowie eine ganze Ganzkörper-Skelettzintigraphie angefertigt. Allein eine Verbesserung seines Zustands stellte sich nicht ein.

Neue Hoffnung

Zufällig stolperte der Patient Ende November 2017 in einer Lokalzeitung über eine von der Deutschen Borelliose Gesellschaft und seiner Krankenkasse gesponsorten Anzeige, die für eine medizinische Aufklärungsveranstaltung über Borreliose am 8.12.17 warb. Auf dieser Veranstaltung lernte er den Würzburger Internisten Prof. Friedrich Schardt kennen. Dieser informierte ihn, dass Borreliose sich häufig nicht über einen Bluttest, sondern auch über die Symptome diagnostizieren ließe. Leichtere Antibiotika würden nur in einem frühen Stadium wirken, nicht aber wenn die Beschwerden chronisch geworden seien. Neue Hoffnung schöpfend, ließ der Patient es auf einen Behandlungsversuch bei Prof. Schardt ankommen – wohl wissend, dass er dies auf eigene Rechnung tun müsse, weil Prof. Schardt über keine Kassenzulassung verfügte. Dieser behandelte ihn mit einer Mischung aus diversen Antibiotika und anderen Medikamenten und beschwor ihn, Geduld zu haben. Nach einigen Wochen schlug die Behandlung an und die Beschwerden verschwanden. Heute fühlt sich der ehemalige Patient geheilt und wieder gesund.

Gleichgültigkeit und Passivität

Was jedoch blieb, war seine Empörung über die Inkompetenz der vorbehandelnden Ärzte und seinen erlittenen Schaden. Dieser bestand nicht nur in den privaten Behandlungskosten von rund 1.300 Euro, sondern auch in seiner unnötigen Leidensgeschichte, die seine Lebensqualität über Monate massiv einschränkte. Er wandte sich deshalb mit zwei Anliegen an seine Krankenkasse: zum einen bat er um Erstattung seiner Behandlungskosten, zum anderen um eine Beratung, ob die Voraussetzungen für einen Schadensersatzforderung an die vorbehandelnden Mediziner gestellt werden könne. Denn schließlich seien ja nicht unerhebliche Beitragssummen aus der Versichertengemeinschaft in nutz- und erfolglose Therapien geflossen. Also müsse es ja auch im Interesse der Krankenkasse sein, Regress zu erhalten. Zu seinem Erstaunen begegnete diese seinem Anliegen zunächst mit völliger Ignoranz. Anstatt sein Anliegen zu prüfen und eine Einschätzung abzugeben, vernahm er nur ein lautes, langes Schweigen. Ach ja, und die Behandlungskosten könne man nicht übernehmen, weil es sich ja um einen Privatarzt handele. Auf seinen Widerspruch hin wimmelte die Krankenkasse ihn ab und empfahl ihm, sich an die Unabhängige Patientenberatung sowie Verbraucherzentralen zu wenden. Unser Mitglied führt derzeit eine Korrespondenz mit der Krankenkasse in der er nicht müde wird, sein Unverständnis über die Passivität der Krankenkasse zum Ausdruck zu bringen. Er macht sich jedoch keine Illusionen, dass sich etwas ändern wird. Als Mitglied der Selbsthilfegemeinschaft Medizingeschädigter erlebt er seit Jahren aus nächster Nähe, dass man als Geschädigter allein in der Regel auf verlorenem Posten kämpft. Dass auch Krankenkassen so wenig Engagement an den Tag legen, um diese Schäden zu regulieren, macht ihn fassungslos.

G.-D. H.